„Sicherheit und Flexibilität müssen kein Widerspruch sein”
Teilzeit heißt nicht gleich prekär, sagt Eckhard Köhn, Geschäftsführer von Studitemps. Ein Gespräch über freie Arbeit ohne Ausbeutung, das perfekte Match zwischen Angestellten und Unternehmen und eine neue Definition von Sicherheit.
Studitemps vermittelt seit elf Jahren im Netz Teilzeitjobs an Studenten: Ist das jetzt eoigentlich diese Plattform-Arbeit von der viele reden?
Kommt darauf an, wie man das definiert: Wir stellen Studenten, die einen Teilzeitjob suchen, an und vermitteln sie an passende Unternehmen. Eine Plattform ist für mich etwas, auf dem zwei Seiten ins Gleichgewicht gehen. Ansonsten wäre es ja eine schiefe Ebene. Wir machen aber ein bisschen mehr, als nur Plattform zu sein. Denn wir sorgen dafür, dass die Vorstellungen und Erwartungen von Studenten und Unternehmen an Teilzeitarbeit realistisch sind.
Welche Vorstellungen haben Unternehmen, die sich an Studitemps wenden?
Unsere Firmenkunden denken oft, Studenten hätten immer Zeit, können nichts und leben im Chaos, weshalb man sie jederzeit an- und abbestellen kann. Das stimmt in mehrfacher Hinsicht nicht: Die Bachelorprogramme der Studenten werden zeitlich immer anspruchsvoller und sie haben sie oft gar keine Kontrolle darüber, wann sie zeitlich verfügbar sind. Ein Pool aus mehreren tausend Studenten, wie wir ihn haben, macht also Sinn. Außerdem zeigen wir den Unternehmen, auf was für fantastische Talente sie zugreifen können. Studenten können oft während des Studiums schon viel, sie sind motiviert, wollen auch Neues lernen, sich vielleicht sogar ein Netzwerk aufbauen. Was wir machen ist, die Wünsche der Unternehmen mit den richtigen Studenten zu verbinden.
Und was erwarten die Studenten von dem Arbeitsplatz?
Sie wollen arbeiten, aber eben nur einen Teil der Woche, in der vorlesungsfreien Zeit vielleicht sogar in unterschiedlichen Städten. Manche Studenten wollen unbedingt einen Nebenjob, der sie auch geistig fordert, manchmal tut es ihnen aber total gut, auch mal mit den Händen zu arbeiten und den Kopf abzukühlen.
Wie bringt man diese Vorstellungen miteinander in Einklang? Was braucht es, damit man immer das passende Match findet?
Die Masse auf beiden Seiten der Plattform muss so groß sein, dass man quasi immer eine Passung findet. Am Anfang, als unsere Plattform noch kleiner war, war das natürlich schwieriger. Mittlerweile haben wir in guten Monaten zehntausend Personen gleichzeitig beschäftigt, da findet man in der Regel immer ein gutes Match. Für beide Seiten.
Wo liegt denn der Unterschied zur Gig Economy, wie man sie zum Beispiel von Uber kennt?
Die Studenten bekommen bei uns keinen geschlossenen Auftrag wie die Übersetzung von acht Seiten oder das Programmieren einer Website. Sondern sie werden im Unternehmen in Prozesse eingebunden. Der Begriff der Plattformökonomie ist mittlerweile etwas verbrannt. Wenn jemand für so ein Unternehmen Essen ausliefert oder Personen befördert, ist er eigentlich dort beschäftigt, offiziell aber frei. Dadurch drückt das Unternehmen die Kosten und überträgt das ganze Risiko auf den Fahrer. Das finde ich nicht gerecht. Was wir machen, funktioniert genau andersherum: Wir zahlen über Mindestlohn und geben den Studenten ein Anstellungsverhältnis bei uns.
Viele Aufgaben in der Gig Economy werden “remote” erledigt – die Beschäftigten arbeiten alleine und liefern das Ergebnis ab. Wie ist das bei den Studetemps-Jobs?
Das ist bei unseren Arbeitsverhältnissen meistens gar nicht möglich. Viele wollen das auch nicht, denen würde ohne diese Beziehung zu Kollegen oder Kunden etwas fehlen. Wir bieten einen guten Weg für Leute, die nicht ganz frei, aber auch nicht ganz festgelegt sein wollen.
Die neuen Beschäftigungsverhältnisse sind einerseits sehr flexibel, andererseits fällt mit ihnen die Sicherheit weg, die wir aus den Erwerbsbiographien unserer Eltern und Großeltern kennen.
Nicht jedes lebenslange Beschäftigungsverhältnis war immer reizvoll. Sicher, es nimmt einem die existenziellen Sorgen, man hat eine gute Altersvorsorge und ist quasi unkündbar. Aber gleichzeitig lässt man sich als Angestellter immer auf ein Abhängigkeitsverhältnis ein, aus dem man nicht herausfallen will, oft um jeden Preis. Das ist eigentlich keine erstrebenswerte Position.
Kann man die gegensätzlichen Pole Flexibilität und Sicherheit vereinen?
Sicherheit und Flexibilität müssen in Zukunft nicht im Widerspruch stehen. Junge Menschen können sich in diesen flexiblen Arbeitsverhältnissen ausprobieren. Wenn es ihnen gefällt, können sie verlängern, wenn nicht, können sie etwas Neues suchen, das ihnen mehr Spaß macht. Ich würde das ausdrücklich abgrenzen von den sogenannten prekären Arbeitsverhältnissen, denn nicht alles, was Teilzeit oder flexibel ist, ist prekär.
Eckhard Köhn wird am 21.11. auf der Work Awesome-Bühne mit uns und euch diskutieren. Tickets gibt es hier.